Alkaloid-Glykoside sind insgesamt gesehen bisher äußerst selten als Pflanzeninhaltsstoffe beschrieben worden. Allein die Sterin-Alkaloide liegen zum überwiegenden Teil glykosidisch gebunden in der Pflanze vor [1, 2]. Erstmalig konnten nun Acridon-Glykoside in Ruta graveolens aufgefunden werden. Acridon-Alkaloide sind sehr schwache Basen und trotz mehr oder weniger starker Hydroxylierung am Kern und an der isoprenoiden Partialstruktur, schlecht wasserlöslich. Infolgedessen lassen sie sich aus der Pflanze oder deren Methanolextrakt mit Petroläther und Benzol leicht extrabieren. Beim Aufarbeiten des Methanolextraktes der Wurzeln von Ruta graveolens fiel die stark gelbe Färbung der wäßrigen Phase nach der Benzol- und CHCl3-Ausschüttelung auf. Die gelbe Komponente ließ sich mit ÄtOAc extrahieren. Wie die DC-Analyse ergab, enthält dieser Extrakt neben Flavonoid-Glykosiden auch Substanzen, die in ihrem analytischen Verhalten den Acridon-Alkaloiden ähneln [3, 4]. Durch Chromatographie an Polyamid konnte ein kristallines Gemisch von zwei Glykosiden isoliert werden, dessen Komponenten sich auf diese Weise nicht voneinander trennen ließen. Bei der sauren Hydrolyse des Gemisches entstanden neben Glukose zwei Acridon-Alkaloide, die als Gravacridondiol (1) [5] und Gravacridontriol (2) identifiziert wurden. Beide Aglyka kommen in der Wurzel zusätzlich in freier Form vor. Gravacridontriol 2 erwies sich durch sein Haupt-2-substituiertes fragment-Ion m/e 266 als 5-Hydroxy-6-oxo-11-methyl-1,2,6,11-tetrahydro-[2,3-c]furoacridin; in die gleiche Richtung weisen seine NMR-Daten, die weitgehend mit 1 [5] und dem Gravacidonolchlorin [6] übereinstimmen. Die Klärung der Verknüpfungsstelle zwischen Acridon-Alkaloid und Glukose ergab sich aus dem IR-Spektrum des acetlylierten Produktes: Eine OH-Bande bei 3300/cm weist auf eine freie alkoholische OH-Gruppe hin, da tertiäre OH-Gruppen unter den Reaktionsbedingungen (Ac2O in Pyridin) am trägsten reagieren, folglich ist die Glukose an einer primären alkoholischen OH-Gruppe gebunden.