Die bisher aus den Blattern von Lobelia inflata isolierten Pflanzenbasen gehoren ohne Ausnahme der Stammsubstanz a, a'-Bi-phenathyl-piperidin CH,-CH CH,. CH, .C,H, H,C/ 7N.H \CH,-CH&H,. CH, . C,H,an. Sie enthalten an den den Benzolkernen benachbarten C-Atomen Sauerstoff, teils in Keton-, teils in Alkohol-Funktion. Der basische Stickstoff ist meist methyliert, in einigen Alkaloiden ist er sekundar geblieben.Neben dieser Hauptgruppe, deren Vertreter 21 oder 22 Kohlenstoffatome enthalten, finden sich in dem basischen Extrakt der Droge noch zahlreiche, der Menge nach sogar iiberwiegende Alkaloide von niedrigerem Molekulargewicht, deren Bearbeitung schon seit einigen Jahren im hiesigen Laboratorium im Gange ist. Sie lassen sich von den Angehorigen der Hauptgruppe einigermafien abtrennen durch die groDere Wasserloslichkeit ihrer Salze, namentlich der Chlor- und Bromhydrate. Aber die Aufteilung des Basengemisches in die einzelnen Bestandteile ist mit groDen Schwierigkeiten verbunden, so daB wir bis jetzt nur funf dieser Nebenbasen in reinem Zustand isoliert una wenigstens teilweise in ihrer Konstitution erkannt haben. Eine der interessantesten dieser neuen Basen ist das als Lobinin bezeichnete Alkaloid. Lobinin wurde schon vor 4 Jahren von W. K o s char a l) aus den siruposen Ruckstanden der Lobelin-I) Dissertation Munchen 1928. darstellung, fur deren Lieferung wir der Firma C. H. Boehringer Sohn 8.-G. lebhaften Dank schulden, isoliert. Auch die Aufgabe seiner Konstitutionsermittlung wurde damals bereits mit einigem Erfolg in Angriff genommen. Indes vermochten die sich anschlieflenden Versuche keine Fortsetzung oder Lasung zu erreichen, da das Alkaloid sich nicht mehr auffinden lieS, bis es nun aus besonders sorgfaltig verarbeitetem Ausgangsmaterial nach einem neuen Verfahren wieder erhalten werden konnte.Die Methode der Isoliernng ist, kurz geschildert, die folgende: Man bringt zuerst die Hauptmenge der Chlorhydrate der Hauptalkaloide aus waJ3riger Losung zur Abscheidung, beseitigt weitere Beimengungen durch Ausfallung aus atherischer Losung mit Eisessig uud fuhrt hieranf noch eine Trennung der Basen durch niedrig siedenden Petrolather herbei, in dem sich Lobinin, immer noch von mehreren andern Blkaloiden begleitet, lost. Von dieser Stufe der Reinigung ails laOt sich nun ein Gemisch von oligen Perchloraten gewinnen, aus deren alkoholischer Losung das Salz des Lobinins auskrystallisiert.Die freie Base hat weder fruher noch jetzt zur Krystallisation gebracht werden konnen. Die Salze aber liefien sich in ausgezeichuet krystallisiertem, reinem Zustand gewinnen.Die Zusammensetzung des Lobinins entspricht der Formel C1,H,,O,N. Von den beiden Sauerstoffatomen liegt das eine als OH-Gruppe, das andere in einem Carbonyl gebunden vor. Es wurden ein Benzoylderivat sowie ein Oxim dargestellt. Durch vorsichtige Oxydation lafit sich Lobinin glatt in die um 2 H-Atome armere Diketoverbindung, das Lobinon, iiberfuhren. Bei der Hydrierung mit Natriumamalgam wurde der zweiwertige Alkohol C,,H,,O,N, das Lobinol, erhalten.Man sieht, daD die Funktion des Sauerstoffs die gleiche ist, wie im Lobelin, das auch durch Oxydation in das Diketon Lobelanin, durch Hydrierung in das (Xlykol Lobelanidin iibergefiihrt worden ist.Auch der Stickstoff ist, wie im Lobelin, einfach methy-liert und tertiar. Das beweist die Methylimid-Bestimmung, ferner die Tatsache, da13 bei der Einwirkung von alkoholischem Kali auf Lobinon Methylamin abgesgalten wird und zwar, wie das Ergebnis des Hofmannschen Abbaues dartun wird, unter Offnung eines heterocyclischen Ringes. Auch hier deckt sich die Feststellung rnit der gleichartigen, am Lobelanin gemachten. Ebenso wie hier, wird auch beim Lobinon leicht Acetophenon abgespalten, wodurch die Gruppe C,H,. 00 .CH, wahrscheinlich gemacht ist.Die experimentelle Weiterfuhrung der Parallele durch Oxydation der neuen Base rnit Chromsaure brachte eine deutliche Abweichung. Die Alkaloide der Hauptgruppe hatten dabei XcopoZinsaure (N-Methyl-piperidin-a, a'-dicarbonsaure) geliefert, wahrend sich vom Lobinin aus auf diesem Wege auJ3er Benzoesaure und Essigsaure nichts Greifbares fassen lieJ3. Dagegen hat die Methylierung des Lobinons und der Abbau seines Jodmethylats weiteren AufschlulS gebracht. Jobinon-jodmethylat spaltet schon in der Kalte unter der Einwirkung von Natriumbicarbonat seinen Stickstoff als Dimethylamin ab. Die stickstoff freie Verbindung C1,H2002, die daneben entsteht, ist intensiv geZb gefarbt und lagert bei der katalytischen Hydrierung 4 Mole Wasserstoff an. Aus dem zweifach ungesattigten Diketon bildet sich ein gesattigtes Glykol C,,H,,O,, das rnit Chromsaure in das schon krystallisierte, gesattigte Diketon C1,H2402 ubergefiihrt wird.Bringt man Lobinon-jodmethylat rnit Alkalien zusammen, so lost es sich unter Dimethylaminverlust mit prachtvoller violetter Farbe. Es ist dieselbe Farbe, die auch das ungesattigte Diketon C17Hzo02 rnit Alkali gibt.Diesem nnerwarteten Auftreten gef arbter Verbindungen steht nun glucklicherweise ein ubersichtlicher Verlauf der oxydativen Spaltung des gesattigten Diketons C,,HZ4O, gegeniiber. Man isolierte neben Benzoesaure in betrachtlicher Menge KorAsZure. Damit ist erwiesen, daB die vom methylierten Stickstoff befreite Kohlenstoffkette keine Verzweigung hat. Von ihren 17 C-Atomen sind 7 als C,H,CO-, 2 als CH,CO- (Nachweis von Benzoesaure und Essigsaure) l) vorhanden, die fehlenden 8 liegen aneinandergereiht in der Korksaure vor. Das Diketon C,,H,,O, kann nur die Konstitution I (oder VlH) besitzen. Das Ergebnis der oxydativen Spaltung ist ohne weiteres verstandlich.IC,H,. GO. CH, . CH, . CH, . CH,. CI-I, . CH, .CH, . CH,. CO . CH, Y H0,C. CH, . CH, . CH, . CH, . CH,CH,. C0,H H0,C. CH, C,H, .CO,H Die analoge Reaktionsfolge hat beim Lobelanin nach erschopfender Nethylierung und Entfernung des Stickstoffs (als Trimethylamin) uber ein, nicht isoliertes zweifach ungesattigtes Diketon zum 1,7-DibenzoyZ-heptan C,,H,,O, (11) gefuhrt.')I1 C,H,. GO. CH, . CH, . CH, . CH,. CH, . CH, . CH, . CO. C,H, \Vie die stochiometrischen Beziehungen der beiden Basen zu ihren Diketonen zeigen:Lobinon C,,H,,O,N ----t C,,H,,O, (I) Lobelanin C,,H,,O,N -* C91Hs40z (II), sind die Umformungen von vollkommen gleicher Art.Wenn daher beim Diketon aus Lobinon (I) eine CH,- Gruppe mehr zwischen den beiden Carboxylen steht als bei denen aus Lobelanin (11), so sollte auch der heterocyclische Ring, aus dem diese Kette hervorgegangen ist, ein C-Atom mehr enthalten, als der des Lobelanins. Lobinon ware dann ein Derivat des homologen Piperidins, des 7 gliearigen Hexamethylen-imins. Aus Formel 111 erklarte sich so eindeutig der Verlauf der Abbaureaktion am Lobinon. Die ,kl-Stellung des methylierten Stickstoffs zu den beiden CO-Grnppen ist genau so wie bei der quartaren Lobelaninbase die Ursache fur die ungemein leicht vor sich gehendeBei dieser Oxydation allerdings nicht nachgewiesen. &#. , 66,34, 66,73 , 80,5, 8,14 , 4,66.Spexifische Drehung. 0,0528 g Chlorhydrat, 5 ccm H,O, 1 dm-Rohr. a =- 1,12O. [aID = - 106,1°. $$[\alpha]_{\mathcal{D}} = -106.1^{\circ}.$$Gegen Permanganat in schwefelsaurer Liisung ist Lobinin einige Zeit bestandig. 1 Das Jodid krystallisiert in groBen Lamellen vom Schmelzp. 130°. Das Chloroplutinat, in Wasser schwer lSslich, wird aus wasserhaltigem Aceton umkrystallisiert und erscheint meist in lengen goldgelben Nadeln vom Zersetzungsp. 190°. Bisweilen erhalt man es in schonen hexagonalen Tafeln. Diese zweite Form kann man aus der ersten entstehen lassen, wenn man die Nadeln mit Wasser benetzt. Die Umwandlung bietet , im Mikroskop betrachtet, ein sehr charakteristisches und hubsches Bild. Wenn man einige Krystalle der Nadelform mit einem Tropfen Wasser unter das Deckglas bringt, so kann man beobachten, wie die Nadeln nach wenigen Augenblicken angefressen werden; schon nach einigen Minuten siud sie zu kurzen Rhomboedern oder hexagonalen TDfelchen zerfallen. Die Erscheinung ist in den beiden Mikrophotogrammen(Figg. 1 und 2), die Herr G. Hesse angefertigt hat, ZUP Darstellung gebracht.Uber das Ghloroplatinat hat schon vor 4 Jahren W. Koschara') das reine Lobinin-chlorhydrat mit dem richtigen Schmelzpunkt isoliert. Unrichtige Mikroanalysen fdhrten damals beziiglich der Zusammensetzung auf eine falsehe Spur.Fig. 1. Fig. 2. Lobinin-oxim (W. Koschara).0,5 g Chlorhydrat , 0,25 g Hydroxylammonium-chlorid nnd ebensoviel trockenes Natriumacetat wurden, in 5 ccm Wasser gelost, 10 Minuten auf dem Wasserbad erhitzt. Nach dieser Zeit war eine Probe in Natronlauge klar 10slich. Man fiillte rnit wenig Ammoniak, atherte aus, fallte die mit K,CO, getrocknete Atherlosung rnit atherischer Salzsaure una krystallisierte die amorphe Fallung aus wenig Alkohol um. Prismen vom Schmelzp. 182O. 3,343 mg Subst.: 0,265 ccm N, (24O, 720 mm). C,,H,,O,N, .HC1 (340,5) Ber. N 8,22 Gef. N S,62. Die freie Base wurde nicht krystallisiert erhalten.BenzoyZ-lobinin (W. K o s c har a).0,2g der freien Base wurde, in absolutem Pyridin gelost, mit 7 Tropfen Benzoylchlorid versetzt. Nach 10 Minuten fallte man mit Ather, go13 von dem schmierigen Niederschlag ab und digerierte ihn so oft rnit frischemx27;) A. 473, 99 (1929).** Annalen der Chemie. 491. Band. 2 Herausspaltung des Stickstoffs. Dabei konnte noch die gegeniiber dem Piperidin - geringere Bestandigkeit des Hexamethylen-imin-Ringes mitspielen. Dem ungesattigten Keton C1,HZ002, das aus der Ammoniumbase (IV) unter Verlust von Wasser und Dimethylamin entsteht, wurde die Formel V oder VI zuteil.7-? CH v CR H,C,.CO.CH,-CH il !I /\ I I UH-CH2. CO. CH, CH,-CH, VI C'H, CH2 C,H,. CO . CH=CH CH=CH. CO. CH,Die Loslichkeit des Diketons in Alkalien fuhrt zur Bevorzugung von V, dam hier die Uoppelbindungen zu den Carbonylen in @,y- Stellung sich befinden. Und @,pungesattigte Ketone neigen nach Thiele I) zur Enolisierung, d. h. zur Bildung des konjugierten Systems: R. CO. CH,. CH: CH- - R. C: CH. CH: CH-OHDamit lieBe sich wohl auch die gelbe Farbe des Diketoiis verstehen. Die intensive Kotviolettfarbung, die von dem Diketon mit Alkalien hervorgebracht wird und yon der schon die Rede war, ist jedoch kaum der Ausdruck der einfachen Salzbildung. Der Salzbildung scheint ein Kondensationsvorgang unbekannter Art aul dem FuBe zu folgen; denn beim Ansauern der permanganatfarbenen Losungen wird nicht das Diketon zuruckerhalten, sondern eine braun-I) A. 506, 121 (1899). Vgl. auch uber die Salzbildung beim Phenyl-isocrotophenon C,R,. CH: CH . CH, . CO . C,H, Wieland u. Stenzl, B. 40, 4825 (1907). gelbe, amorphe, anscheinend hoher molekulare Same wird gef allt.Aber auch wenn man mit Formel V die Struktur des doppelt ungesattigten Ketons C,,H,,O, richtig erfadt hat, fehlt doch noch das Verstandnis fur die ganz andersartige Natur der beim Abbau des Lobelanins angetroffenen parallelen Verbindung. Das Diketon C,,H,,O, wnrde zwar dort nicht isoliert, aber die Reaktion, die unter Abspaltung des Stickstoffs zur offenen Kette fuhrt, vollzieht sich ohne jede Farberscheinung. Es ist ausgeschlossen, da13 C,,H,,O, mit der V analogen FormelVII andere Eigenschaften besade als C,,H,,O,.VII C,H,. CO . CH, . CH=CH-CH2- CH=CH. CH, . CO . C6H, VIII C6H5. CO. CH, .CH, . CH,. CH,. CH, . CH, . CH, . CO . CH, .CH, Man kann daher wohl ziemlich sicher annehmen, dad die Lage der Doppelbindungen in C,,H,,O, eine andere ist und man kann vielleicht vermuten, dad die Anzahl der Ringglieder die Formation der aus dem Ring entstehenden Kohlenstoffkette beeinflufit. Befriedigend ist dieser Erklarungsversuch nicht.Das Auftreten von Korksaure bei der Oxydation der gesattigten Kette konnte auch erklart werden, wenn man das Diketon gemad VIII formulierte. Dann konnte Lobinon eir? Piperidin-Derivat (IX) sein.periodin-Derivat (IX) sein.\n$$\begin{array}{ll} & \text{CH}_2 \& \text{H}_2O & \text{CH}_2 \& \text{H}_2O & \text{CH}_2 \& \text{CH}_2 \end{array}$$\nIX\n$$\begin{array}{ll} & \text{CH}_2 \text{CH}_2 \text{CH}_2 \text{CO}.\text{CH}_2.\text{CH}_3 \& \text{CH}_3 \text{CH}_2 \& \text{CH}_2 \text{CH}_2 \& \text{CH}_2 \text{CH}_2 \& \text{CH}_2 \text{CH}_2 \& \text{CH}_2 \text{CH}_2.\text{CHOH}.\text{CH}_3 \& \text{CH}_3 \end{array}$$Die Unterschiede zwischen den ungesattigten Diketonen aus Lobinon und Lobelanin waren dann schwer verstandlich. Vor allem aber spricht gegen diese Formulierung der Urnstand, daB es nicht gelungen ist, durch Oxydation mit Chromsaure-Schwefelsaure &us Lobinin eine der beiden Piperidindicarbonsauren, Scopolinsaure oder Methylgranatsaure, auch nur in Spuren zu erhalten. Frl. E. Dane, die aus einem anderen Nebenalkaloid, das wahrscheinlich der Formel IX nahesteht, die beiden Sauren erhalten hat, hat die Versuche des einen von uns (J.) am Lobinin ebenfalls ohne Ergebnis wiederholt.Die fast durchweg zu niedrig gefundenen Werte fur Wasserstoff lassen auch an eine dicyclische Struktur denken.Es bleibt, wenn wir vorerst die Siebenringformel zugrunde legen, noch zu entscheiden, wie sich in dem Alkaloid selbst Alkohol- und Keton-Funktion verteilen. Aus der Tatsache, daB Lobinin in gleicher Weise wie Lobelin leicht Acetophenon abspaltet, lafit sich fur das neue Alkaloid die Pormel X ableiten.Lobinin besitzt nach den Untersuchuugen von Her mann Wieland-I-undB.Behrens diegleiche starke atmungserregende Wirkung wie das Lobelin.